Hitzeschutz am Arbeitsplatz: Was Arbeitgeber wirklich beachten müssen

Hitzeschutz am Arbeitsplatz: Was Arbeitgeber wirklich beachten müssen
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Hitzeschutz am Arbeitsplatz wird immer wichtiger – denn wenn die Temperaturen steigen, wird das Büro schnell zur Hitzefalle. Was viele unterschätzen: Schon ab 26 Grad Raumtemperatur kann die Belastung für Körper und Konzentration spürbar steigen. Arbeitgeber stehen in der Pflicht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen – und Arbeitnehmer haben ein Recht auf Schutz. Doch welche Regeln gelten genau? Und was muss wirklich passieren, bevor man vom „Hitzefrei“ sprechen darf?

Arbeitsschutz bei Hitze – was gilt rechtlich?

Die Arbeitswelt verändert sich – und mit ihr auch die Anforderungen an den Arbeitsschutz. Hitzewellen sind längst keine Ausnahme mehr. Umso wichtiger ist es, dass Betriebe vorbereitet sind. Denn gesundheitlich belastende Temperaturen im Büro sind kein reines Komfortproblem – sie können rechtlich relevant sein.

Zentrale Grundlage ist die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Sie verpflichtet Arbeitgeber dazu, Arbeitsräume so zu gestalten, dass sie für Beschäftigte gesundheitlich zuträglich sind. Konkrete Temperaturgrenzen nennt sie zwar nicht – doch die Arbeitsstättenregel ASR A3.5 bringt Klarheit: Hier sind Maßnahmen ab bestimmten Schwellenwerten verpflichtend vorgesehen.

Gleichzeitig greift auch das Arbeitsschutzgesetz (§ 4 ArbSchG), das fordert, alle Gefährdungen – auch durch Hitze – so weit wie möglich zu vermeiden. Hinzu kommt die Fürsorgepflicht nach § 618 BGB, die den Arbeitgeber in die Verantwortung nimmt, für sichere und zumutbare Arbeitsbedingungen zu sorgen.

ASR A3.5 Raumtemperatur – ab wann wird’s kritisch?

Klar ist: Die Arbeitsstättenverordnung verlangt gesundheitlich verträgliche Bedingungen. Doch was genau bedeutet das in Zahlen? Die Antwort liefert die Arbeitsstättenregel ASR A3.5, die sich speziell mit dem Thema Raumtemperatur befasst.

Temperaturstufen mit Konsequenzen

Die ASR A3.5 unterscheidet drei zentrale Schwellenwerte, die jeweils unterschiedliche Maßnahmen erfordern:

  • Ab 26 °C: Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen sollte diesen Wert nicht überschreiten. Wenn doch, sollte der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen prüfen – etwa Sonnenschutz oder Lüftung.
  • Ab 30 °C: Jetzt wird es verbindlich. Der Arbeitgeber muss konkrete Maßnahmen ergreifen – wie das Bereitstellen von Getränken, das Aufstellen von Ventilatoren oder das Anpassen der Arbeitszeiten.
  • Ab 35 °C: Ohne wirksame Gegenmaßnahmen gilt der Raum als unzumutbar für eine reguläre Tätigkeit. Arbeiten dürfen hier nur noch unter speziellen Bedingungen stattfinden – beispielsweise an Hitzearbeitsplätzen mit entsprechender Ausrüstung.

Was bedeutet „unzuträglich“ in der Praxis?

Der Begriff „unzuträglich“ beschreibt eine Temperatur, bei der gesundheitliche Risiken nicht mehr ausgeschlossen werden können. Symptome wie Konzentrationsmangel, Kreislaufprobleme oder Schwindel treten gehäuft auf. Entscheidend ist nicht nur die Temperatur selbst, sondern auch die Art der Tätigkeit, die Luftfeuchtigkeit, Bekleidung und individuelle Faktoren der Beschäftigten.

Raumtemperaturen im Büro – Empfehlungen & Grenzen bei Hitze und Kälte

TemperaturbereichEinschätzung / BedeutungMaßnahmen / Hinweise
Unter 20 °CRaumtemperatur zu niedrig – nicht gesundheitlich zuträglichHeizung prüfen, Luftzirkulation verringern, Zugluft vermeiden
20–22 °COptimaler KomfortbereichKeine Maßnahmen notwendig – besonders angenehme Raumtemperatur
22–26 °CNoch gesundheitlich zuträglichRegelmäßige Lüftung, ggf. Sonnenschutz vorbereiten
Über 26 °CSchwelle gemäß ASR A3.5 – erste Schutzmaßnahmen empfohlenJalousien, Ventilatoren, Kleidung lockern
Ab 30 °CMaßnahmen sind verpflichtend – Raum gilt als kritischGetränke anbieten, Arbeitszeit anpassen, Homeoffice ermöglichen
Über 35 °CRaum ohne spezielle Maßnahmen nicht mehr als Arbeitsraum geeignetTätigkeit einstellen oder in kühlere Bereiche verlegen

📌 Ergänzende Hinweise:

  • Zugluft vermeiden: Besonders bei 20 °C wird eine maximale Luftgeschwindigkeit von 0,15 m/s empfohlen.
  • Luftfeuchtigkeit: Keine gesetzliche Untergrenze, aber zu trockene Luft (v. a. im Winter) kann unangenehm sein.
  • Luftbewegung: Bei Hitze erwünscht (z. B. durch Ventilatoren), bei Kälte unangenehm (Zugluft vermeiden).
  • Lesetipp: Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „Hitze im Büro? 12 einfache Tricks für kühle Köpfe am Arbeitsplatz

Die Rolle des Arbeitsschutzgesetzes

Neben der Arbeitsstättenverordnung spielt auch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eine zentrale Rolle im Umgang mit Hitze am Arbeitsplatz. Es bildet die gesetzliche Grundlage dafür, wie Arbeitsbedingungen gestaltet sein müssen – und verpflichtet Arbeitgeber zur aktiven Gefahrenvermeidung.

§ 4 ArbSchG – Schutz von Leben und Gesundheit

Der zentrale Paragraf ist § 4 ArbSchG. Dort heißt es sinngemäß: Arbeitsplätze müssen so gestaltet sein, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden oder zumindest minimiert wird. Das gilt ausdrücklich auch für Belastungen durch hohe Temperaturen.

In der Praxis bedeutet das: Sobald die Raumtemperatur steigt und die Arbeitsfähigkeit einschränkt, ist der Arbeitgeber in der Pflicht, tätig zu werden – unabhängig davon, ob konkrete Beschwerden vorliegen.

Konkrete Pflichten des Arbeitgebers

Damit Schutz nicht nur Theorie bleibt, verpflichtet das Arbeitsschutzgesetz Unternehmen zu konkreten Maßnahmen:

  • Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung für alle Tätigkeiten – inklusive Temperaturbelastung.
  • Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen – abgestuft nach Dringlichkeit und Wirkung.
  • Dokumentation aller Maßnahmen und regelmäßige Überprüfung auf Wirksamkeit.
  • Schulung der Beschäftigten über Risiken durch Hitze und richtiges Verhalten.

Diese Vorgaben gelten proaktiv – also schon vor dem ersten heißen Sommertag. Wer nur reagiert, wenn das Thermometer bei 35 Grad steht, verstößt gegen geltendes Recht.

Fürsorgepflicht und Gefährdungsbeurteilung

Die gesetzliche Pflicht endet nicht beim Arbeitsschutzgesetz. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) verpflichtet Arbeitgeber zur Fürsorge – konkret in § 618 Abs. 1 BGB. Das bedeutet: Unternehmen müssen Arbeitsbedingungen so gestalten, dass sie weder die Gesundheit noch das Wohlbefinden der Beschäftigten gefährden.

Gefährdungsbeurteilung bei Hitze – ein Muss, kein Kann

Ein zentrales Instrument zur Einhaltung dieser Pflicht ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie ist nicht nur bei Maschinen oder Chemikalien Pflicht, sondern auch bei physischen Umweltbedingungen – also auch bei Hitze.

Was muss sie enthalten?

  • Raumtemperatur-Check: Welche Temperaturen treten wann auf?
  • Tätigkeitsanalyse: Ist körperliche Belastung im Spiel?
  • Individuelle Risiken: Gibt es besonders gefährdete Mitarbeitende?

Diese Analyse hilft nicht nur bei der Auswahl passender Maßnahmen, sondern schützt auch rechtlich – etwa im Fall eines Arbeitsunfalls durch Hitzeschäden.

Besondere Schutzbedürfnisse nicht vergessen

Einheitliche Maßnahmen reichen oft nicht aus. Besonders bei vulnerablen Gruppen sind angepasste Lösungen gefragt:

  • Schwangere und Stillende: Laut Mutterschutzgesetz ist bei über 26 °C ein besonderer Schutz erforderlich – inklusive Arbeitsumgestaltung oder Freistellung.
  • Ältere Beschäftigte oder Vorerkrankte: Auch hier gilt: Der Arbeitgeber muss individuelle Gefährdungen berücksichtigen.
  • Außendienst oder körperlich belastende Tätigkeiten: Höhere Schutzstandards durch Pausen, Schattenplätze oder hitzefreundliche Kleidung.

Entscheidend ist: Schutz muss situativ, individuell und dokumentiert erfolgen.

3 wichtige Maßnahmen bei Hitze – was ist zumutbar?

Wenn die Temperaturen steigen, darf der Arbeitgeber nicht tatenlos zusehen. Die gute Nachricht: Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die sich flexibel anpassen lassen – je nach räumlichen Gegebenheiten und Tätigkeitsprofil. Grundlage dafür ist das bewährte TOP-Prinzip, das Schutzmaßnahmen nach ihrer Wirksamkeit priorisiert: Technisch – Organisatorisch – Personenbezogen.

Technische Maßnahmen: Hitzeschutz durch Ausstattung

Hier geht es um alles, was baulich oder gerätetechnisch umsetzbar ist:

  • Sonnenschutz an Fenstern: Jalousien, Rollos oder spezielle Hitzeschutzfolien
  • Mobile Klimageräte oder Lüftungssysteme: Besonders in schlecht durchlüfteten Büros
  • Ventilatoren: Richtig positioniert, sorgen sie für eine spürbare Entlastung
  • Arbeitsplatzverlagerung: Z. B. in kühlere Räume oder Bereiche mit weniger Sonneneinstrahlung

Organisatorische Maßnahmen: Strukturen anpassen

Hier wird es flexibel:

  • Arbeitszeitverlagerung: Früher anfangen, früher Schluss – oder Pausen während der Hitzezeiten
  • Homeoffice ermöglichen: Wenn möglich, ist das oft die beste Lösung bei extremen Temperaturen
  • Zusätzliche Pausen: Kurze Unterbrechungen zur Regeneration – im Schatten oder bei frischer Luft
  • Kleiderordnung lockern: kein Krawattenzwang oder formelle Kleidung bei 30+ Grad

Personenbezogene Maßnahmen: Verhalten und Gesundheit fördern

Was jeder selbst tun kann – und was Arbeitgeber unterstützen sollten:

  • Trinken, bevor der Durst kommt: Mineralwasser, Kräutertees oder verdünnte Fruchtsäfte
  • Leichte Kleidung erlauben und empfehlen: hell, atmungsaktiv, locker
  • Kühlende Anwendungen fördern: Feuchte Tücher, Handgüsse oder Armbäder sind einfach, aber effektiv
  • Aufklärung und Sensibilisierung: Mitarbeitende über Hitzesymptome und Erste Hilfe informieren

Diese Maßnahmen zeigen: Hitzeschutz ist machbar – wenn er ernst genommen wird.

Gibt es ein Recht auf Hitzefrei?

Die Hoffnung auf „Hitzefrei“ im Büro ist verständlich – doch arbeitsrechtlich ist sie oft trügerisch. Im Gegensatz zur Schule kennt das deutsche Arbeitsrecht keinen pauschalen Anspruch auf Arbeitsfreistellung wegen Hitze. Trotzdem gibt es klare Grenzen der Zumutbarkeit – und Rechte, die man kennen sollte.

Wann darf Arbeit verweigert werden?

Einfach gehen, weil es zu heiß ist? Das geht nicht – jedenfalls nicht ohne Konsequenzen. Dennoch gibt es Ausnahmen, die juristisch haltbar sind:

  • Ab 35 °C Raumtemperatur, ohne dass der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, gilt der Arbeitsplatz als unzumutbar – das Arbeiten darf dann verweigert werden.
  • Gefahr für Gesundheit oder Sicherheit: Wer nachweislich durch die Hitze gefährdet ist (z. B. Kreislaufprobleme), kann die Arbeit vorübergehend unterbrechen.
  • Keine Sofortverweigerung: Der Arbeitgeber muss vorab die Chance bekommen, Abhilfe zu schaffen – zum Beispiel durch Ventilatoren oder Raumwechsel.

Rechtliche Grenzen und praktische Lösungen

Wenngleich das Büro zur Sauna wird: Die Arbeit einfach niederzulegen, kann als Arbeitsverweigerung ausgelegt werden – mit arbeitsrechtlichen Folgen. Besser ist:

  • Das Gespräch suchen: Frühzeitig mit Führungskräften oder dem Betriebsrat sprechen.
  • Gefährdungsbeurteilung anstoßen: besonders bei wiederkehrenden Hitzebelastungen.
  • Individuelle Lösungen finden: flexiblere Pausenzeiten, Raumwechsel, Homeoffice-Vereinbarungen.

In vielen Fällen lassen sich so praktikable Kompromisse finden – ohne rechtliche Risiken für beide Seiten.

Fazit – Arbeitgeber in der Pflicht

Fazit – Arbeitgeber in der Pflicht

Der Sommer bringt nicht nur Sonnenschein, sondern auch neue Herausforderungen für den Arbeitsschutz. Hitze am Arbeitsplatz ist längst kein Ausnahmezustand mehr – sie gehört zum Alltag vieler Büros und Betriebe. Doch das bedeutet auch: Arbeitgeber müssen vorbereitet sein.

Gesetze wie das Arbeitsschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung und die ASR A3.5 geben klare Leitplanken vor. Wer diese kennt – und entsprechend handelt – schützt nicht nur die Gesundheit seiner Beschäftigten, sondern sorgt auch für ein produktives und faires Arbeitsumfeld.

Praktischer Tipp: Jetzt eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung aktualisieren oder anstoßen – und den nächsten Hitzetag rechtssicher und entspannt meistern.

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